Tagesspiegel.de die erfolgreichste deutsche Zeitung online
Die AGOF hat es mal wieder bestätigt: Spiegel Online ist die reichweitenstärkste Nachrichten-Site Deutschlands.
Aber wie sieht es dahinter aus? Wie verändert sich das Bild, wenn man bedenkt, dass die verschiedenen Verlage historisch bedingt eine unterschiedlich große Leserschaft hinter sich vereinen konnten? Von einer Leizpiger Volkszeitung z.B. wird man online keine Leserschaft in der SpOn-Größe erwarten.
Eine genauere Analyse ist notwendig – und auf einmal steht SpOn gar nicht mehr so gut da.
Die verkaufte Auflage ist i.d.R. die zentrale Kennzahl für den Reichweitenerfolg im Print-Markt, wenn es in die Verhandlungen mit Anzeigenkunden geht. Im Online-Markt strebt die AGOF mit ihrer Messung der Unique User eine ähnliche Stellung an.
Setzt man diese beiden Zahlen ins Verhältnis, so kann man daraus Schlüsse ziehen, wie gut es den einzelnen Verlagen bzw. Titeln gelingt, online Leser anzusprechen.*
Zu den Ergebnissen gelangen Sie hier.
Klarer Sieger im vierten Quartal 2005 ist der Tagesspiegel, gefolgt von der Financial Times Deutschland und der Welt. Der Tagesspiegel steigerte bei sinkender Print-Auflage seine Online-Leserschaft um rund 9% und verdrängte damit Welt.de von der Spitzenstellung.
Spiegel Online vor Focus.de, Zeit.de und Stern.de
Erst an vierter Stelle, hinter dem Handelsblatt, folgen Spiegel Online und Focus.de.**
Insgesamt bestätigt sich der Trend, dass die Größe einer Zeitung nicht ausschlaggebend für ihren Erfolg online ist.
Während diverse Faktoren Einfluss ausüben dürften, ist eine relativ klare Trennung zwischen nationalen und regionalen Titeln erkennbar. So hat der Tagesspiegel im Verhältnis zu seiner Auflage fast 20 Mal so viele Unique User wie die Neue Osnabrücker Zeitung.
Zudem scheint sich diese Trennung zu verschärfen. Im Vergleich zum Vorquartal gewannen von den in dieser Analyse untersuchten Sites die Top 15 rund 7% hinzu, während die „Bottom 15“ sich nur um rund 4% steigern konnten.
Aus meiner Sicht stützt dieser Schnappschuss die These einer stärkeren Aufgliederung der Nachrichtensite-Landschaft, auf die ich bereits hier und hier ausführlicher hingewiesen habe.
Bild.de steigt ab
Klare Ausnahme zu dieser Regel ist Bild.de. Nach einem dramatischen Rückgang der Nutzerzahlen (siehe hier) landet die Bild in der hinteren Hälfte der Tabelle. Von Websites wie die der Schwäbischen Zeitung oder des relativ gut vergleichbaren Boulevardblattes Express sieht Bild.de nur den Auspuff.
* Vergleich von Print- zu Online-Reichweite, z.B. mittels der AG.MA-Werte ist auch möglich, ergibt aber zumindest für die Tageszeitungen sehr ähnliche Ergebnisse.
** Die nur begrenzte Vergleichbarkeit von Tageszeitungen und wöchentlichen Titeln sei in dieser Kurzanalyse außer acht gelassen.
07.08.06
Kommentare
Die Zahlen müsst Ihr mir mal im Detail vorrechnen. Wie kann der Spiegel mit monatlich 60 Mio. Online-Besuchern nur auf Platz 4 landen?
08.08.06 10:26
Tobias
Es handelt sich um eine relative Betrachtungsweise. Nach absoluten Zahlen ist der Spiegel die Nr. 1, aber er geht mit einem Startvorteil ins Rennen, da er bereits seit Jahrzehnten eine sehr große Leserschaft im Print-Markt hat.
Diesen Faktor berücksichtige ich.
Konkret zu den Zahlen: Spiegel Online hat laut AGOF 4,27 Millionen Unique User (die 60 Mio. sind keine Besucher, sondern Visits, also Besuche). Bei einer durchschnittlichen Printauflage von rund 1,05 Mio. ergibt sich eine Quotient von 4,07.
Der Tagesspiegel erreicht einen Quotienten von 5,47 (0,75 Mio. Unique User pro Monat; 0,137 Mio. verkaufte Auflage).
Natürlich zählt auch die absolute Reichweite, aber wenn man messen möchte, wie gut es den Verlagen von ihrer jeweiligen "Basis" ausgehend gelingt, online Leser anzusprechen, sollte man eine solche relative Betrachtung vornehmen.
08.08.06 10:48
Matthias Kretschmer
Erstmal danke für das Vorrechnen! Jetzt müsste ich wahrscheinlich die AGOF fragen, wie sie auf 4,27 Mio. Unique User kommt. So richtig überzeugt mich die Methode allerdings nicht, Zahlen aus Print und Online in Beziehung zu setzen. Lesen wir nicht im Web ganz andere Quellen als "offline"? Ich besuche z.B. Webseiten von Zeitschriften überhaupt nicht, die ich als gedrucktes Exemplar interessant finde. Und umgekehrt: SpOn besuche ich regelmäßig, den gedruckten Spiegel kaufe ich dagegen seit Jahren nicht mehr.
08.08.06 11:35
Tobias
Klar, auch bei mir und anderen gibt es Unterschiede zwischen dem Leseverhalten off- und online. Das ist aber die Lesersichtweise.
Diese Zahlen sind dagegen für die Sichtweise der Verlage relevant.
Wenn immer weniger Leser Print lesen und sich dafür Online-Medien widmen, dann sollte ich mich als Verlag dieser Veränderung stellen und versuchen, auch online meine Leser zu finden.
Diese Zahlen liefern Anhaltspunkte dafür, wie gut dieses den Verlagen gelingt.
08.08.06 12:02
Matthias Kretschmer